13.1 Ausgewählte Kapitel zur Infrastruktur "Fabriken, Gewerbe und
Handel"
13.1.1.Ziegeleien
und
Lehmgruben auf dem Rastpfuhl
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis in den 2. Weltkrieg hinein sind
anhand von verschiedenen Quellen mehrere Ziegeleien auf dem Rastpfuhl
nachweisbar. Karten und Stadtpläne geben dabei bestenfalls Hinweise auf
die Lage und den Zeitpunkt eines Neubaus einer Fabrikanlage,
Veränderungen, insbesondere die Einstellung des Betriebs, wurden oft
nicht nachvollzogen. Für die Ermittlung des Betriebsendes wurden daher
die Adressbücher herangezogen, sofern keine anderen Quellen verfügbar
waren.
Ein Kriterium für die Ansiedlung von Ziegeleien auf dem Rastpfuhl war
das Vorhandensein von Lehm. Der Rohstoff war fast überall an der
Oberfläche vorzufinden, vgl.
Kap.
6.3 Böden und [1]. Daher wurde der Lehm meist in unmittelbarer
Nähe zu den Ziegeleien abgebaut. Überliefert ist, dass sich im Bereich
der heutigen Eifelstraße und nördlich der Straße im Knappenroth eine
Lehmgrube ("Lähmkaul", vgl.
Kap.
9) befunden hat. Diese ist erstmals in der Kuphal-Karte 1801- 1820
[3] sowie in der Karte von Tranchot/Müffling 1803-1820 [4]
eingezeichnet. Eine weitere Lehmgrube findet man in den
Messtischblättern aus den 1930er Jahren südlich der
Teerfabrik
Sarg.[5] Die ungefähre Lage der Lehmgruben, sofern sie in früheren
Karten eingezeichnet wurden, ist in Abb. 13.1. dargestellt.
Nach [1] war es jedoch nicht nur das Vorkommen von Lehm, was die
Ansiedlung der Ziegeleien begünstigte, sondern die Nähe zur Steinkohle,
die anstelle des teurer gewordenen Holzes für die Energieerzeugung
verwendet wurde. Zitat aus [1]:
"Dazu trugen auch die
„Begünstigungspreise“ bei, die die Bergbehörden in Anknüpfung an die
landesherrliche Politik des 18.Jahrhunderts den Ziegelherstellern beim
Bezug von Steinkohle gewährte. In Anbetracht dieses Vorteils hatten
bis 1830 von wenigen Ausnahmen abgesehen fast alle Ziegeleien auf das
Brennen mit Steinkohle umgestellt."
Grund dafür, dass im Laufe des 20. Jahrhunderts die Ziegeleien nach und
nach aufgegeben wurden, waren dann die Erschöpfung der Lehmgruben und
die Konkurrenz auswärtiger Ziegeleien sowie der Siedlungsdruck infolge
explodierender Bevölkerungszahlen [2].
Insgesamt gab es auf dem Rastpfuhl an drei Standorten 6 Ziegeleien, die
jedoch nicht alle zur selben Zeit in Betrieb waren. Übersicht s. Abb.
13.1. Fischer nennt in [1] für das Jahr 1843 die Zahl 4 an Ziegeleien
auf dem Rastpfuhl.
Abb. 13.1 : Lage früher zu unterschiedlichen Zeiten
existierenden Ziegeleien und Lehmgruben auf dem Rastpfuhl
(
höher
aufgelöste Grafik als PDF-Datei)
Ziegelei an der Köllertalstraße
Die älteste, auf Karten nachweisbare Ziegelei befand sich an der
heutigen Köllertalstraße östlich der heutigen Wohngebäude Hausnummer 44
und 47 .
Abb. 13.2: Lage der ehemaligen Ziegelei an der Köllertalstraße
Die Ziegelei ist in der Karte von Duhamel aus dem Jahr 1808 als
„Tuillerie“ eingezeichnet [6]. Die (heute) richtige Schreibweise lautet
Tuilerie (Ziegelei). Die ungefüllten Flächen in Abb. 13.2, die wie in
der Original Duhamel-Karte als geschlossene schwarze Linie dargestellt
wurden, sind vermutlich Lehmgruben.
Anders als andere Ziegeleien werden die Gebäude in der Köllertalstraße
auf späteren Karten (etwa ab der Wende zum 20. Jahrhundert) nicht mehr
als Ziegelei gekennzeichnet. Letztmalig als "Zgl." eingetragen
sind die Gebäude in der Köllertalstraße in der Karte des Deutschen
Reichs von 1893.[7] Aktualität und Genauigkeit der Karten sind
jedoch, wie eingangs erwähnt, zweifelhaft, so dass sich über die
Betriebszeit der Ziegelei in der Köllertalstraße nur die grobe Aussage
treffen lässt, dass diese der Zeit von Anfang bis Ende des 19.
Jahrhunderts zuzuordnen ist. Damit war sie die erste Ziegelei auf auf
dem Rastpfuhl, die in Betrieb gegangen ist und sie dürfte auch die die
erste gewesen sein, die wieder stillgelegt wurde.
Ziegeleien am Knappenroth
Am Standort Im Knappenroth befanden sich mindestens seit Mitte des 19.
Jahrhunderts mehrere "Dampfziegeleien" mit wechselnden Eigentümern, s.
Abb. 13.3 [8] - [18].
Abb. 13.3: Lage von früheren Ziegeleien am Knappenroth
mit nachgewiesenen Eigentümern um die Wende zum 20. Jahrhundert
1: 1889: "nicht mehr
vorhanden"
2a/b: Johann König, später: Karl König
3a/b: Gebr. (Heinrich und Nicolaus) Speicher
4: Adolf Michler, später: Albert Lietzmann,
danach Emil Sarg
In den Adressbüchern der Jahre 1900 und 1901 werden für die Zahl der
Arbeiter bei den Ziegeleien König, Speicher und Lietzmann je 20 genannt.
Als Eigentümer von Ziegelhütten ohne gesicherte Verortung können
ermittelt werden:
- Stegentritt, 1836[23] sowie zweite Hälfte der 1820er Jahre [1]
- Bauer, zweite Hälfte der 1820er Jahre [1]; Alexander Bauer,
Ziegelei gegründet 1871
[11]
- Fam. König: Heinrich König, 1826 sowie 1836[23]; Johann König,
1889-1904; 1905 - 1914 Karl König.
Die Ziegelei wurde eventuell nach dem 1. Weltkrieg bis Mitte der
1930er Jahre als "Rastpfuhler Ziegelwerke AG" weitergeführt.
- Gebr. Speicher: mindestens ab 1882 bis 1914
Diese Ziegelei oder die o.g. von König wurde eventuell nach dem 1.
Weltkrieg bis Mitte der 1930er Jahre als "Rastpfuhler Ziegelwerke
AG" weitergeführt.
- Michler/Lietzmann/Sarg:
Die Ziegelei wurde 1882 von Adolf Michler gegründet und wurde 1897
an den Kaufmann Albert Lietzmann verkauft.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 1904 an das Bürgermeisteramt zeigt
Albert Lietzmann an, dass sein (Zitat) Besitzstand zu
Malstatt/B. Rastphul, mit ihm meinem daselbst betriebenem Gewerbe:
Dampfziegelei und Dachpappenfabrik aufgehört haben zu
bestehen. Das Anwesen sei mit den Betrieben in den
Besitz der Firma Emil Sarg übergegangen.
Von 1909 bis 1941/42 ist in den Adressbüchern der Stadt Saarbrücken
die Firma Ernst Hugo Sarg & Co., Chem. Fabrik für
Asphalt u. Teerprodukte; Abt. Backsteinfabrik aufgeführt.
Vermutlich wurde die Ziegelei am alten Standort (Nr. 4 in Abb. 13.3)
weiter betrieben, während das spätere Betriebsgelände der Teerfabrik Ernst Hugo Sarg (s. Abb.
13.3) überwiegend oder ausschließlich der Produktion von
Chemie-Artikeln vorbehalten war. Dafür sprechen auch die Einträge in
das Einwohnerbuch der Stadt und des Landkreises Saarbrücken
1941/42 mit unterschiedlichen Hausnummern für die Chemische
Fabrik für Asphalt und Teerprodukte Im Knappenroth 2 und für
das Ziegelwerk Im Knappenroth 3. Lt. [22] kam die
Ziegelei nie über die Bedeutung eines Nebenbetriebes hinaus
und wurde zu Beginn des zweiten Weltkrieges stillgelegt, im
Kriege zerstört und nicht mehr aufgebaut, s.a. nachfolgendes Kap. 13.1.2.
Ziegelei an der "Schleifmühle" [18] - [21]
Die Ziegelei an der "Schleifmühle" wurde Ende des 19. Jahrhunderts
errichtet und befand sich im heutigen Gewerbegebiet mit der Adresse
Jenneweg 158/160.
Bauherr war der Wirt Heinrich Christian Michler, die Baugenehmigung für
Neubau eines Ringofens zum Brennen von Ziegelsteinen auf dem Gelände
Flur 28, Flurstück 273/1, „im großen Feld“ wurde Ende Oktober 1897
erteilt. Das Grundstück hatte er zuvor von der Charlotten-Stiftung
Rußhütte erworben.
Bereits nach wenigen Betriebsjahren musste Michler Konkurs anmelden. Die
Konzession zum Brennen von Ziegelsteinen ging zeitweilig auf den
Konkursverwalter Rechtsanwalt Steegmann über.
Im August 1901 übernimmt der Eisenbahn-Bauunternehmer Ernst Schubert die
Dampfziegelei Schleifmühle und firmiert dann unter „Dampfziegelei
Schleifmühle Ernst Schubert & Cie., St. Johann a.d. Saar., s. Abb.
13.4. Teilhaber wird der Kaufmann Karl Mertz.
Abb. 13.4: Dampfziegelei Schleifmühle auf einem Briefkopf
1921 geht die Ziegelei in die Saar-Industrie A.-G. über.[12]
Das Büro der Ziegelei Schleifmühle hatte die Adresse Am Hof 3.
Die Ziegelei wurde vermutlich bis in den 2. Weltkrieg hinein betrieben.
Letztmalig wird die Ziegelei Schleifmühle im
Branchen-Fernsprechbuch
von 1941 aufgeführt als
Saarländische Baustoff-Fabrik,
Dampfziegelei, Breit, M., Saarbrücken-Schleifmühle.
Von 1919 bis zum Konkurs im Jahre 2013 befand sich auf dem Gelände auch
die
Saarbrücker
Eisenhandelsgesellschaft (SEG). Es ist davon auszugehen, dass die
SEG die Gebäude der Ziegelei spätestens nach Ende des Betriebs für
Lagerzwecke verwendete.
Quellen:
- Fischer, Gert: Wirtschaftliche Strukturen am Vorabend der
Industrialisierung : der Regierungsbezirk Trier 1820 – 1850.
Dissertation an der Universität Bonn, 1988/89. ISBN: 3-412-16989-7
- Ried, Hans: Die Siedlungs- und Funktionsentwicklung der Stadt
Saarbrücken; Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der
Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes; Arbeiten
aus dem geographischen Institut; Band 3; Saarbrücken, Universität
des Saarlandes, 1958
- Die Wald-, Kultur- und Siedlungskarte der Rheinprovinz 1801-1820,
Ausgabe von Dr. E. Kuphal;
- Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling
1803-1820,
online
auf dem GR-Atlas der Université du Luxembourg
- Messtischblatt 3548 Saarbrücken, herausgegeben vom Reichsamt für
Landesaufnahme 1934
- Atlas des concessions du Terrain Houiller de la Sarre
(Duhamel-Atlas oder Beaunier-Atlas), 1808-10,
Online auf Bibliothèque patrimoniale numérique de l’École
nationale supérieure des mines de Paris (Mines ParisTech)
sowie online
bei
Google Arts & Culture
- Karte des Deutschen Reichs, Maßstab 1:100.000, 1893; online im "Landkartenarchiv"
- Plan von Saarbrücken, St. Johann a/d Saar, Malstatt-Burbach, M
1:7.500, 1903
- Karte aufgenommen im Jahre 1850 von Wedell, Prem. Lieutenant im 7.
Art. Regiment; Bande III, Blatt 4
- Karte "Sect. Jägersfreude-Saarbrücken", aufgenommen von
Oberbergamtsmarkscheider Kliver im Jahre 1886
- Statistik kleiner und mittlerer Unternehmen in der Saarregion
(1873 – 1895). In: Grabas, Margrit, Fuchs, Antje, Mathieu,
Christian: Der regionalwirtschaftliche Stellenwert von kleinen und
mittleren Unternehmen an der Saar zur Zeit der "Großen Depression",
2003; online auf dem Server der Saarländischen
Landes- und Universitätsbibliothek
- Klein, Hanns: Ein Verzeichnis der Industrie-, Gewerbe- und
Handelsbetriebe, Einzelfirmen, Gesellschaften und Genossenschaften
des Handelskammerbezirks Saarbrücken vom Jahr 1871, in: Zeitschrift
für die Geschichte der Saargegend 21(1973)
- verschiedene Adress- und Telefonbücher: Malstatt-Burbach, Stadt
Saarbrücken
- Tonindustrie-Zeitung und Keramische Rundschau, Band 21, Ausgaben
7-12, 1897
- StA-SB Bgm. M-B 154: Fabrikanlage der Ziegelei von A. Michler,
jetzt A. Lietzmann, und der Dachpappenfabrik von A. Lietzmann, jetzt
Emil Sarg, 1882 – 1907
- StA-SB Bgm. M-B 155: Fabrikanlage der Ziegelei von Gebrüder
Speicher, 1888 – 1901
- StA-SB Bgm. M-B 73: Fabrikanlage der Ziegelei von Johann König,
1889 – 1905
- StA-SB Bgm. M-B 195: Dampfziegelei Michler im Distrikt
Knappenroth, Malstatt – Burbach, 1896 – 1901
- StA-SB Bgm. M-B 85: Anlage einer Dampfziegelei am Knappenroth
durch H.C. Michler, jetzt E. Schubert & Cie
- Tonindustrie-Zeitung und Keramische Rundschau, Band 45,Teil 2;
1921
- Beckinger, Christian: Neue Lagerhalle für alteingesessenes
Unternehmen. Saarbrücker Zeitung vom 17. Juni 2005
- Festschrift anlässlich des 50jährigen Bestehens der Firma Ernst
Hugo Sarg & Co, Chemische Fabrik für Asphalt- und Teerprodukte,
Saarbrücken 2: 1907 – 1957
- Adelmann, Gerhard (Hrsg.): Der gewerblich-industrielle Zustand der
Rheinprovinz im Jahre 1836, Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn, 1967
13.1.2 Teerfabrik Hugo Sarg
Betrieb der Teerfabrik
Die "Chemische Fabrik für Asphalt- und Teerprodukte" Ernst Hugo Sarg
& Co. Saarbrücken ging aus der Dampfziegelei u. Dachpappenfabrik
von Emil Sarg hervor, die er Ende 1904 von Albert Lietzmann
erworben hatte, s. Kap. 13.1.1
Abb. 13.5: Logo der Chemischen Fabrik für
Asphalt- und Teerprodukte Ernst Hugo Sarg & Co., 1960 aus [1]
Als Gründungsdatum der Fabrik gilt das Datum 31. Oktober 1907, mit
dem ein Gesellschaftervertrag zwischen den Brüdern Emil, Ferdinand und
Ernst Hugo Sarg in Kraft trat.[1],[16]
Das Unternehmen hatte seinen Standort südlich der heutigen
Kleingartenanlage am Sportplatz am östlichen Ende der Straße Im
Knappenroth, s. Abb. 13.6. Die Stadtverwaltung hatte
darauf bestanden, die Anlagen außerhalb des damaligen Siedlungsgebiets
zu errichten.[16] Aus der ursprünglich kleinen Dachpappenfabrik und
Teerkocherei entwickelte sich im Laufe der Jahre ein
Familienunternehmen mit 1959 ca. 100 Mitarbeitern. Die Fabrik stellte
ihre chemisch-technischen Produkte insbesondere für die Bauindustrie
und den Straßenbau her.[1] Die Firma besaß ein Anschlussgleis am Güterbahnhof
Schleifmühle und neben Kraftfahrzeugen 26 Eisenbahn-Kesselwagen
für Rohteer. (Stand 1957). Anfangs wurde der Rohteer in Fässer
abgefüllt und mit Pferdefuhrwerken und später mit Lkw antransportiert,
ab 1922 wurde das Rohmaterial über eine Rohrleitung vom Güterbahnhof
Schleifmühle zur Fabrik hinauf gepumpt.[16]
Die Ziegelei hatte nur die Bedeutung eines Nebenbetriebs und wurde zu
Beginn des 2. Weltkriegs stillgelegt.[16]
Die Fabrik wurde im 2. Weltkrieg insbesondere durch Luftangriffe in
den Nächten 29./30. Juli 1942 und 5./6. Oktober 1944 weitgehend
zerstört, aber anfangs wieder aufgebaut und die Produktion wieder
aufgenommen [1], [2], [15], [16].
Erst nach den Bombentreffern Ende 1944 war ein Weiterarbeiten
nicht mehr möglich.[16]
Nach Kriegsende wurde die Fabrik mit Ausnahme der Ziegelei nach und
nach wieder aufgebaut und erweitert. Bereits am 30. August 1945 konnte
die Dachpappen-Produktion wieder anlaufen.[16]
Bei einem Brand am 12. Juni 1953 entstand ein erheblicher Sachschaden.
Die Teerfabrik wurde bis Ende der 1960er Jahre betrieben [4], 1969
wurde die Firma im Handelsregister gestrichen [5].
Details zur Firmengeschichte bis 1957 findet man in [16].
Abb. 13.6: Lage der Teerfabrik Hugo Sarg im Jahr 1953, nach
[2], (höher aufgelöste
Grafik als PDF-Datei)
Spätere Bebauung des Geländes
Ab dem Jahr 1971 verfolgte der Unternehmer Jürgen Gräßer Pläne, auf
dem Gelände der ehemaligen Teerfabrik und der näheren, damals
unbebauten näheren Umgebung als "Projekt Knappenroth" einen Supermarkt
und mehrere Wohnhochhäuser mit bis zu 19 Etagen zu errichten [6],
[14], s.a. Kap. 10.4.4 - Rastpfuhl-Ost - Projekt Knappenroth.
Nachdem die Stadt Saarbrücken die Erschließungskosten erhöhte, den
Bebauungsplan änderte und die Baugenehmigung verweigerte, kam es zu
einem 32 Jahre dauernden Prozessmarathon, so dass die Planungen nie
umgesetzt wurden. Die Prozesskosten ruinierten den Unternehmer, so
dass das Gelände 1976 zwangsversteigert wurde [7]. Am 6. September
2010 wurde Jürgen Gräßer tot aufgefunden. Die Polizei schloss einen
Suizid nicht aus [8].
Spätestens 1977 wurden die Gebäude der vormaligen Teerfabrik
abgerissen [2], seit Mitte der 1980er Jahre wurde das Gelände einer
ungehinderten Spontanvegetation überlasssen [9].
Im Jahr 2017 wurde der westliche Teil des Geländes mit 5
Mehrfamilienhäusern bebaut. Die Planungen dazu gehen auf das Jahr 2014
zurück [9], [13]. Seit 2019 gibt es Überlegungen, auch das restliche,
also sich östlich anschließende Gelände der ehemaligen Teerfabrik Sarg
zu bebauen, s. Kap. 10.4.5 Neues Wohngebiet "Knappenroth Ost".
Altlasten
Ab 1986 vorgenommene Bodenuntersuchungen ergaben „erhebliche
Verunreinigungen mit aromatischen Kohlenwasserstoffen und
Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK)“. Eine
Gefährdung für die Bevölkerung durch Ausgasen oder die Verunreinigung
von Grundwasser wurde jedoch vom Saarbrücker Umweltamt ausgeschlossen,
solange das Gelände nicht bebaut oder anders genutzt werde. Dennoch
wurde das Gelände vom Umweltministerium als eine von 11 Standorten im
Saarland mit giftigen Schadstoffen aus industriellen Altlasten
klassifiziert [10].
Beim Bau des Mehrfamilienhauses Im Knappenroth 25 gegenüber des
früheren Fabrikgeländes wurden beim Aushub Teerfässer entdeckt, die
zum Teil schon ausgelaufen waren. Das Baugelände wurde offensichtlich
früher von der Teerfabrik als „Deponie“ genutzt. Der verseuchte Boden
wurde ausgebaggert und zusammen mit den Fässern als Sondermüll
entsorgt [11].
Im Vorfeld der Planungen für die Bebauung des westlichen Teils des
Fabrikgeländes wurde der Boden erneut untersucht. Dabei ergaben sich
nur „keine bis nur sehr geringe“ Belastungen, was u.a. darauf
zurückzuführen sei, dass auf dem westlichen Teil des Geländes der
ehemaligen Teerfabrik früher keine Betriebsgebäude standen. Zudem sei
das Gelände schon früher im Rahmen der Planungen und Bauvorbereitungen
für das Gräßersche Projekt um mehrere Meter abgetragen worden [9].
Bei den neuerlichen Überlegungen zur Bebauung des Geländes soll der
kontaminierte Aushub in einem sogenannten Altlasten-Verwahrungsbauwerk
gelagert werden, s. Kap. 10.4.5 Neues Wohngebiet "Knappenroth Ost".
Quellen:
- Schwingel, Karl: Saarbrücken - 50 Jahre Großstadt : 1909 – 1959;
Hrsg.: Kulturdezernat d. Stadt Saarbrücken. Verlag Funk, Saarbrücken
(Selbstverlag der Stadt), 1960
- Luftbilder in Brunner, Florian: Saarbrücken - Entdeckungen von
oben. Geistkirch-Verlag, 2014. ISBN-13: 978-3938889039
- Saarbrücker Zeitung vom 13.06.2003
- Maßnahmenbeschreibung Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr.
126.13.00 „Im Knappenroth“ Landeshauptstadt Saarbrücken vom 05.
November 2014
- Official Company Registration Ernst Hugo Sarg & Co.
- Müller, Peter F u, Müller, Michael: 1,5 mal 1,5 macht zusammen 1,5
in: Süddeutsche Zeitung, 15./16. Januar 2005; Seite III
- Fründt, Steffen: Odyssee durch die Instanzen in: Welt vom
20.12.2006
- Unternehmer Jürgen Gräßer tot aufgefunden in: Welt vom 07.09.2010
- Bebauungsplan Nr. 126.13.00 „Im Knappenroth“, Landeshauptstadt
Saarbrücken, Begründung, aufgestellt durch ARGUS CONCEPT GmbH,
Saarbrücken, 03.06.2015
- Hartmann, Michele: Leben mit dem Gift im Boden in: Saarbrücker
Zeitung, 3./4. Februar 2007; S. C1
sowie: Saarbrücker Zeitung vom 27.01.2007
- Saarbrücker Zeitung, 23. Dez. 2013; S. C3
- Maßnahmenbeschreibung Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr.
126.13.00 „Im Knappenroth“ Landeshauptstadt Saarbrücken vom 05.
November 2014
- Infos über die Wohnanlage Knappenroth II auf der Homepage der
KomCon GmbH
- Koch, Tonia: Projekt Knappenroth - Eine unendliche
Justizgeschichte. Bericht
auf
der Webseite von Deutschlandfunk Kultur
- Kloevekorn, Fritz:
Saarbrücken - Werden, Vergehen, Wieder-auferstehen einer deutschen
Grenzstadt.
Saarbrücker Zeltung Verlag und Druckerei GmbH, 1960; S. 228f
- Festschrift anlässlich des 50jährigen Bestehens der Firma Ernst
Hugo Sarg & Co, Chemische Fabrik für Asphalt- und Teerprodukte,
Saarbrücken 2: 1907 – 1957
13.1.3 Pasteurschacht
Zwischen den 1920er Jahren und Anfang der 1960er Jahre befand sich auf
dem Gebiet der heutigen Straße Pasteurschacht eine Schachtanlage als
Nebenanlage der Grube Von der Heydt, s. Abb. 13.7. Der Schacht wurde
nach dem französischen Chemiker und Bakteriologen Louis Pasteur
benannt, war jedoch auch unter dem Namen Südschacht bekannt.
Die Anlage diente als Wetter- und Seilfahrtschacht für den
Von-der-Heydter Amelung-Schacht.
Abb. 13.7: Lageplan mit den ehemaligen Gebäuden und
Zufahrtswegen des Pasteurschachts, nach [1] und [3];
höher aufgelöste Grafik
als PDF-Datei
Legende:
1. Schacht
2. Schachthalle
3. Fördermaschine
4. Maschinenhaus mit Kesselhaus und Kühlturm
5. Ventilatorenanlage mit Saughals zum Schacht
6. Zechenhaus
7. Pförtnerhaus
Der Schacht wurde am 24. Juli 1922 angehauen und bis Juli 1923 auf
203,25 m abgeteuft [2]. Der Durchmesser betrug 5 m. Die gesamte Anlage
wurde Mitte 1929 fertiggestellt.
Aufgrund der Weltwirtschaftskrise musste im Jahr 1932 der Betrieb des
Amelung-Schachtes eingestellt werden. Der Pasteurschacht war damit
nach nur 3 Betriebsjahren überflüssig geworden. In den Jahren 1936/37
und 1952 wurden die Gebäude angerissen. Die Maschinen wurden teilweise
für andere Gruben verwendet. 1960 wurde der Schacht verfüllt, 1961
wurden die Fundamente gesprengt und der Boden eingeebnet. Allein das
Pförtnerhaus ist erhalten geblieben. Im Einwohnerbuch der Stadt
und des Landkreises Saarbrücken 1941/42 ist das Haus als
(einziges Haus in der Straße mit der Adresse Am Gilbenkopf)
eingetragen mit dem Eigentümer Bergverwaltung und einem
Bewohner mit der Berufsbezeichnung Grubenwächter[5]. Heute ist
das Haus an Privatleute vermietet und wird als reines Wohnhaus
genutzt, s. Abb. 13.9.
Anfang bis Mitte der 1960er Jahre erfolgte die Bebauung des Geländes
der ehemaligen Schachtanlage mit acht teilweise villenartigen Häusern
für Angehörige der Saarbergwerke AG („Wohnbauprojekt am Gilbenkopf –
Pasteurschacht“).
Dabei bildet die Fläche um den ehemaligen Schacht auf dem Grundstück
Pasteurschacht Hausnummer 5 eine eigene Parzelle.
Im Sommer 2019 wurde der Schacht im Auftrag der RAG (Ruhrkohle
AG) Montan Immobilien GmbH saniert, s. Abb. 13.8. [6]
Abb. 13.8: Bauarbeiten am Pasteurschacht im Sommer 2019
Umfassende, weiterführende Informationen zum Pasteurschacht findet
man in [1].
Abb. 13.9: Haus Pasteurschacht 1 (ehemaliges Pförtnerhaus des
Pasteurschachts)
Quellen:
- Jochum, Ehrhard: Der „Pasteurschacht“ in: Der Rastpfuhl -
Geschichte eines Siedlungsgebietes und seiner Bewohner. Herausgeber:
Deutscher Siedlerbund Landesverband Saarland e.V.,
Siedlergemeinschaft Saarbrücken-Rastpfuhl e.V., Volkshochschule
Stadtverband Saarbrücken. November 1999
- Slotta, Delf: Grube Von der Heydt; Stollen und Schächte in:
Steinkohlebergbau Saar, Heft 3
- Deutsche Grundkarte 1932
- Plan der Stadt Saarbrücken, Maßstab 1:8000. Druck und Verlag Gebr.
Hofer AG, Saarbrücken, November 1934
- Einwohnerbuch der Stadt und des Landkreises Saarbrücken 1941/42
- Pasteurschacht in Saarbrücken wird saniert. In: Saarbrücker
Zeitung v. 3. Juli 2019, online
13.1.4 Sandgruben
Im Wald nördlich des Rastpfuhler Wohngebiets befanden sich zwei
Sandgruben, s. Abb. 13.10.
Abb.: 13.10: Lage der Sandgruben nördlich des Rastpfuhler
Wohngebiets (
höher aufgelöste
Grafik als PDF-Datei)
Die eine "Sandkaul", mundartlich für Sandgrube, lag westlich der
früheren B268 und heutigen A1 an den "Sieben Eichen". Sie gehörte zwar
formal zum Burbacher Distrikt Ottstraße (vgl.
Abb.
3.1), diente aber nach dem Ende der kommerziellen Nutzung den
Kindern und Jugendlichen vom oberen Rastpfuhl als Abenteuerspielplatz,
s.a. Abb. 13.11.
Abb.: 13.11: Sandgrube an den "Sieben Eichen" Ende der 1970er
Jahre
Eine weitere, größere Sandgrube befand sich zwischen der früheren B268
und heutigen A1 und dem verlängerten Weg "Am Gilbenkopf" am nördlichen
Ende des Rastpfuhl-Distrikts.
Beide Sandgruben sind heute verfüllt.
13.1.5 Rastpfuhl-Carrée
Das Rastpfuhl-Carrée ist ein Nahversorgungszentrum mit Geschäften,
Restaurants und Dienstleistungsbetrieben und liegt an der Ecke der
Straßen Rastpfuhl und Im Knappenroth, s. Abb. 13.14. Der Gebäudekomplex
hat einen L-förmigen Grundriss und insgesamt ca. 3.000 m²
Verkaufsfläche. Auf der Rückseite des Gebäudes stehen ca. 180 Parkplätze
zur Verfügung.
Vor dem Bau des Zentrums befand sich dort die Wendeschleife für die
Stadtbusse und von ca. 1960 - 1965 auch für die Straßenbahn sowie ein
Flachbau mit Post- und Sparkassen-Filiale, s. Abb. 13.13.
Die Planungen für das Einkaufszentrum gehen auf das Jahr 2004 zurück,
der Saarbrücker Stadtrat stimmte dem Bauvorhaben im Februar 2006 zu.
Die Planungen erfolgten durch die RoLeG GmbH & Co. KG
Projektentwicklung KG, Saarbrücken, ein Gemeinschaftsunternehmen der
Landesentwicklungsgesellschaft Saar (LEG) und der
Rosco-Unternehmensgruppe. Die Investitionssumme betrug 15 Mio. Euro.
Baubeginn war der 19.03.2007, am 31.03.2008 wurde das
Rastpfuhl-Carrée feierlich von der damaligen Saarbrücker
Oberbürgermeisterin Charlotte Britz eröffnet.
Abb. 13.12: Rastpfuhl-Carrée mit Saarbahn-Haltestelle 2022
(Foto mit höherer Auflösung, PDF-Datei 1,1 MB)
Abb. 13.13: Situation vor Bau des Rastpfuhl-Carrées
(zwischen ca. 1960 und 2006) |
Abb. 13.14: Lage des Rastpfuhl-Carrées seit 2007 |
Quellen:
- Neues Einkaufszentrum für den Rastpfuhl ist fertig. Saarbrücker
Zeitung vom 14.03.2008
- Eröffnung Rastpfuhl-Carrée, vom Team von Unser-Malstatt-online.de,
01.04.2008, bis zur Einstellung des Webauftritts online auf
unser-malstatt-online.de
- Noch ein neuer Supermarkt? Saarbrücker Zeitung vom 20.03.2004
- Stadtrat sagt Ja zu neuem Einkaufszentrum. Saarbrücker Zeitung vom
18.02.2006
- Arbeiten für den Neubau eines Einkaufszentrums beginnen am Montag.
Saarbrücker Zeitung vom 17.03.2007
- „Ein Gewinn für die Menschen“ -Nahversorgungszentrum
RastpfuhlCarrée eröffnet – 15 Millionen Euro investiert. Saarbrücker
Zeitung vom 01.04.2008