14.4 Geschichte des Rastpfuhls nach dem 2. Weltkrieg
Anders als in den vorangegangenen Kapiteln lässt sich die Zeit nach dem
2. Weltkrieg bis heute nur teilweise Jahreszahlen zuordnen. Daher wird
dieses Kapitel sachbezogen und nicht nach Zeitabschnitten untergliedert.
Auf Quellenangaben wird weitgehend verzichtet, da diese in
Verweis-Kapiteln aufgeführt sind, in denen weitere Informationen zu
finden sind.
14.4.1 Wohnsituation und Wohngebiete
Die unmittelbare Nachkriegszeit war wie in den meisten Städten geprägt
durch die Beseitigung von Trümmern und Kriegsschäden. Der Mangel an
Wohnraum führte verbreitet zu
Wohnungselend. Viele Saarbrücker
waren in
menschenunwürdigen Behausungen wie Keller,
Waschküchen, Ställe, Schuppen, baufällige Gebäude, Trümmerresten oder
fenstlerlosen Räumen zusammengepfercht. Wasser und sanitäre
Einrichtungen waren meist nicht vorhanden.
Aus [1):
"Sie hausen in Speicherräumen, Mansarden, Trümmerresten,
Waschküchen, Kellerräumen, ehemaligen Ställen und Bedürfnisanstalten,
deren Zustand viel zu wünschen übrig lässt. Es fehlen die primitivsten
Notwendigkeiten, wie Wasser und Abort, sowie Unterstellräume für die
spärlichen Wintervorräte. Dia Dachgeschossräume entbehren in vielen
Fällen sogar der Gipsdecke, sodass die Bewohner nur durch ein
notdürftiges Ziegel- oder Blechdach von Himmel getrennt sind. Was
diese Menschen bei Sonnenglut, Regen oder Kälte aushalten, ist nicht
zu beschreiben. Diejenigen, welche in Kellern und Trümmern hausen,
geht es nicht besser, denn auch hier ist oft nur die Kellerdecke der
einzige Schutz vor der Witterung; dort läuft bei Regenwetter das
Wasser die Wände herunter und bildet Pfützen, wodurch die gerettete
Habe vollends ruiniert wird, mitsamt den darin lebenden Menschen.."
In Aufstellungen mit den
für menschliche Unterbringung ungenügenden
Räumen aus dem Jahr 1947 wurden folgende
Elendsunterkünfte
auf dem Rastpfuhl aufgeführt:
Haus |
Art
der
Unterbringung |
Anzahl
Personen |
Brauneberger Weg/
Siebenbürger Weg 26 |
Dachzimmer |
3 |
Cochemer Weg 14 |
Keller |
4 |
Enkircher Weg 37 |
Mansarde
Waschküche |
5 |
Im Knappenroth 3 |
Schuppen |
4 |
Kanzemer Weg 15 |
Keller/
Mansarde |
4 |
Mehringer Weg 1 |
Keller |
8 |
Mehringer Weg 15 |
obdachlos |
|
Moselstraße 34 |
Keller |
3 |
Ockfener Weg 35 |
|
8 |
Rheinstraße 20 |
Keller |
4 |
Riegelsberger Str. 63 |
Keller |
2 |
Riegelsberger Str. 63 |
Keller |
3 |
Riegelsberger Str. 63 |
Keller |
4 |
Riegelsberger Str. 67 |
Keller |
3 |
Taunusstraße 2 |
baufälliges
Gebäude |
4 |
Taunusstraße 8 |
Keller |
3 |
Taunusstraße 10 |
Keller |
2 |
Taunusstraße 12 |
Keller |
3 |
Taunusstraße 14 |
Keller |
2 |
Taunusstraße 16 |
Keller |
4 |
Zeller Weg 7 |
Waschküche |
2 |
Zeller Weg 33 |
Waschküche |
3 |
Zeltinger Weg 15 |
Mansarde |
9 |
Tab. 14.8: Amtlich festgestellte
Elendswohnungen auf dem
Rastpfuhl im Jahr 1947
Neben der Instandsetzung von zerstörten Wohngebäuden und dem Abschluss
von Bautätigkeiten, die im Krieg unterbrochen werden mussten, konnte
durch den Bau von Notunterkünften relativ kurzfristig Wohnraum
geschaffen werden, s.a.
Kap. 10.3.1.
Die Instandsetzung und der Wiederaufbau oder Neubau von Wohngebäuden
zieht sich unterschiedlich lang hin. Eines der letzten Bauten dürfte das
Wohnhaus Siebenbürger Weg 22 gewesen sein. Auf dem brachliegenden
Grundstück waren bis mindestens 1977 nur die Grundmauern eines
ausgebombten Siedlungshauses zu sehen.[2]
Zusätzlich zum Wiederaufbau wurden Wohngebäude-Flächen erschlossen oder
vorhandene erweitert. Damit verstärkt sich bis in die jüngste
Vergangenheit der Trend, dass sich der Rastpfuhl zum reinen Wohngebiet
entwickelt. Mit der Erschließung der Wohngebiete ging in den meisten
Fällen die Anlage von neuen Straßenzügen einher. Schwerpunkt der
Bautätigkeiten waren die 1950er-Jahre. Näheres s.
Kap. 10.3 und
10.4.
Hier sollen nur die neuen Wohngebiete in zeitlicher Reihenfolge
aufgelistet werden:
- 1950-55: Ketteler-Siedlung im Ayler, Kaseler und oberen Wiltinger
Weg
- 1953: Siedlungshäuser im Gebiet zwischen Mehringer Weg, Moselstr.
und Trittenheimer Weg
- 1954-55: Rastbachtal-Siedlung (Rastbachweg, östliche
Köllertalstraße, Illweg und Primsweg)
- 1964-66: Pasteurschacht-Siedlung (Straßen Pasteuerschacht,
Beilsteiner Weg, Graacher Weg)
- Ende 1960er-Jahre: Häuser im Rhönweg
- Anfang 1970er-Jahre: Einfamilienhäuser im Briedeler Weg
- ab Ende 1970er-Jahre: Oberer Jenneweg
- 1987/88: Doppelhäusern im Alfener Weg
- 1996-2017; Bau von Ein- und Mehrfamilienhäusern im "Heubügel" und
an der westlichen Köllertalstraße und an der Hubert-Müller-Straße
- ab Mitte der 1990er-Jahre: Mehrfamilienhäuser am Knappenroth
- ab 2017: Wohn- und Geschäftshaus Im Knappenroth Ecke Lebacher
Straße
Als Glücksfall für den Rastpfuhl zu bewerten ist, dass am Ende die
Planungen ab 1971 des Investors Jürgen Gräßer zum Bau eines Supermarktes
und einer Hochhaussiedlung („Projekt Knappenroth") nicht umgesetzt
wurden, s.
Kap. 10.5.8
Quellen:
- Schreiben des Stadtamts IV. B/8 Abt. IIIc v. 1. August 1947 an
den Generalsekretär Walter, betrifft „Das Wohnungselend in
Malstatt-Burbach“ (StA SB Sign. V60-339 (I) Wiederaufbau 1946
– 1948)
- Luftbild des Rastpfuhl von 1977 in: Brunner, Florian: Saarbrücken
– Entdeckungen von oben. Geistkirch Verlag, Saarbrücken 2014,
ISBN 978-3-938889-03-9
- Quellen aus den Referenz-Kapiteln
14.4.2 Öffentliche Gebäude, Gewerbe und
Firmen
Für öffentliche Aufgaben musste anfangs auf nicht zerstörte Räume
ausgewichen werden, so dass sich für die Bevölkerung längere
Anmarschwege ergaben. Schulunterricht fand in Wechselschicht
(vormittags/nachmittags) statt. Hilfreich war die
Bereitstellung von Militärbaracken wie an der westlichen Moselstraße
Ecke Hubert-Müller-Straße als Schul-, später Kindergarten-Gebäude sowie
an der Ecke Lebacher Straße / Rheinstraße und auf dem Pariser Platz für
Gottesdienste.
Erst die nachfolgend aufgeführten Neubauten konnten die anfangs prekären
Situationen beheben:
- 1948/49 Bau der Volksschule an der Moselstraße, ab 1967
Förderschule geistige Entwicklung
- 1952-1954 und 1957-66 Bau bzw. Erweiterung Knappenrothschule
- 1959-61 Bau der katholischen Kirche St. Paulus
- 1995 Bau des evangelischen Gemeindezentrums am Knappenroth
Bis 2018 wurde zudem Räume des ehemaligen Franziskaner-Klosters an der
Kirche St. Antonius für sozialwissenschaftliche Studiengängen der
Saarbrücker Fachhochschule genutzt. Das Kloster selbst, zuletzt am
Rhönweg ansässig, wurde 1999 geschlossen. Die Gebäude im Rhönweg werden
heute von der Caritas-Zentrale genutzt. Weitere Informationen s.a.
Kap. 13.2.1
bis 4.
Das
Rastpfuhl-Krankenhaus, im Dezember 1971 in
"Caritasklinik St. Theresia" umbenannt, wurde und wird ständig erweitert
und ist heute nach dem Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg das
zweitgrößte Krankenhaus der Stadt.
Die
Teerfabrik Hugo Sarg als letzter Industriebetrieb
stellt in den 1960er-Jahren die Produktion ein,
Großhandel wie WIGESA (Pharmaprodukte) und Faber
Kabel (Elektrokabel) ziehen wegen Platzmangel ab, die Saarbrücker
Eisenhandelsgesellschaft geht in die Insolvenz. Frei werdende oder noch
bestehende offene Flächen werden mit Wohnhäusern bebaut. Der Wandel des
Rastpfuhls zum reinen Wohngebiet schreitet voran.
Beim Einzelhandel setzt wie in ganz Deutschland der Trend zur
Zentralisierung der Läden ein. Kleine in den Wohngebieten vorhandene
Einkaufsmöglichkeiten verschwinden nach und nach. Das gilt auch für
kleinere Konzentrationen von Läden um das Zentrum des Rastpfuhls und am
Rothenbüsch. Mit der Einweihung des Einkaufszentrums
Rastpfuhl-Carrées im Jahr 2008 und mit dem Bau
eines Wohn- und Geschäftshauses Im Knappenroth gegenüber wird der
Konzentrationsprozess zunächst erst einmal abgeschlossen. Als
Nebenzentrum gelten die wenigen Läden an der westlichen Rheinstraße.
14.4.3 Verkehrsinfrastruktur
im Bereich
Verkehr
sind der vierspurige Ausbau der Lebacher Landstraße zu nennen und die
Einstellung der letzten Saarbrücker Straßenbahnlinie 1965 , die aber ab
2000 durch die Saarbahn ersetzt wurde.
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des Rastpfuhl
Kap. 14.1
Römerzeit, Mittelalter und frühe Neuzeit
Kap. 14.2
18. und 19. Jahrhundert
Kap. 14.3
20. Jahrhundert bis 1945
Kap. 14.4
ab
1945
Kap. 14.5
Zeittafel